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Nearshoring: Die Rückkehr der Modeproduktion

Eine neue Studie der Unternehmensberatung McKinsey sieht eine vermehrte Rückkehr der Bekleidungsproduktion nach Europa, unter anderem durch die Automatisierungsmöglichkeiten. Dadurch ergeben sich schnellere Lieferungen und auch die Nachhaltigkeit der Anbieter wird verbessert.

„Made in China“ ist seit vielen Jahren in vielen Kleidungsstücken der westlichen Welt zu lesen. Doch das ändert sich gerade. Die niedrigeren Löhne machten China und Südostasien konkurrenzlos für die Modeproduktion, doch nun beginnt sich das Blatt zu wenden. Eine Jeans, die in der Türkei produziert wird, kostet heute 3% weniger als in China, zählt man Fertigungs-, Transport- und Einfuhrkosten zusammen. Ähnliches gilt für den nordamerikanischen Markt. Eine Jeans aus Mexiko hat sogar um 12% niedrigere Gesamtkosten. „Für einzelne Kleidungsstücke mit wenig aufwendiger Produktion lohnt sich jetzt schon die Rückverlagerung der Fertigung nach Europa bzw. Nordamerika. Aber der Hauptgrund für das sogenannte Nearshoring ist die extreme Verkürzung der Lieferzeiten, die es Modeunternehmen ermöglicht, viel schneller auf Trends zu reagieren und Kollektionen agil anzupassen“, sagt Karl-Hendrik Magnus, Partner und Experte für die Modebranche bei McKinsey. Ein Kleidungsstück aus Südostasien ist bis zu 30 Tage mit dem Schiff unterwegs in westliche Märkte – der Transport aus der Türkei nach Deutschland dauert hingegen nur drei bis sechs Tage. Den Weg von Mexiko in die USA finden die Stücke sogar in nur zwei Tagen.

Das sind zentrale Ergebnisse der Studie „Is apparel manufacturing coming home?“ von McKinsey & Company. Für die internationale Studie berechnete die Unternehmensberatung gemeinsam mit der RWTH Aachen und dem Digital Capability Center Aachen das Potenzial von Automatisierungstechnologien. Daneben befragte McKinsey gemeinsam mit dem „Sourcing Journal“ 188 Experten aus der Modeindustrie zu den Themen Nearshoring, Automatisierung und Nachhaltigkeit.

„Schnelle Reaktionszeiten sind ein Muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Zeiten, in denen Konsumenten ein halbes Jahr auf angesagte Kleidungsstücke warteten, sind längst vorbei. Heute brauchen Modeunternehmen agile Strukturen, um Trends, die bei Instagram entstehen, nicht zu verpassen, und Warenüberhänge zu vermeiden“, sagt Achim Berg, Leiter der Modeindustrieberatung bei McKinsey. Ein weiterer Vorteil von Nearshoring: Mehr Mode kann zum vollen Preis ohne Rabattaktionen verkauft werden, da trendige Stücke schneller verfügbar sind. Der Anteil der Ware, der zum vollen Preis an die Kunden geht, erhöht sich dadurch um fünf Prozentpunkte. Mehr als drei Viertel der befragten Experten glauben, dass ein Umschwung zum Nearshoring wegen kürzerer Lieferzeiten bis 2025 wahrscheinlich ist.

Ein weiterer Schub für das Nearshoring geht von der Automatisierung aus, da sie die Produktivität erhöht. Noch hinkt die Bekleidungsindustrie anderen Branchen in der Automatisierung hinterher. Die Technologie für die Automatisierung der arbeitsintensiven Näharbeiten ist insgesamt noch nicht so weit, doch sind inzwischen einige Technologien marktreif, beispielsweise Roboter und Lasertechnologien zur Bearbeitung von Jeans. In den nächsten zehn Jahren könnten 40% (für komplizierte Kleidung) bis 70% (für simple Stücke) der Arbeitszeit durch Automatisierung eingespart werden und damit auch ein bedeutender Teil der Kosten. Das Herstellen einer einfachen Jeans könnte statt derzeit 36 Minuten nur noch 11 Minuten dauern.

Ein weiterer Vorteil der Automatisierung im Nearshoring: Sie macht die Produktion nachhaltiger, weil weniger Ressourcen verschwendet werden. „Automatisierung geht einher mit weniger Wasserverbrauch, Energie- und Chemikalieneinsatz. Nearshoring reduziert Transportwege und damit Umweltverschmutzung. Außerdem ermöglicht Nearshoring mehr On-demand-Produktion, was weniger Bekleidungsmüll zur Folge hat", erklärt Saskia Hedrich, Co-Autorin des Reports. Eine Entwicklung, die auch den Konsumenten gefallen könnte: Mehr als zwei Drittel der befragten Industrieexperten glauben, dass 2025 Nachhaltigkeit ein Hauptgrund für Modekunden sein wird, ein Produkt zu kaufen.

Der kostenlose Download der Studie ist hier möglich.

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