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05.11.2018 // Recht + Betriebspraxis

Vergütung von Reisezeiten bei Entsendungen ins Ausland

Entsendungen ins Ausland und damit einhergehende Reisezeiten gehören für viele Arbeitnehmer „zum täglich Brot“. Die Frage, ob der jeweilige Arbeitgeber dieses ohne Vorliegen einer vertraglichen Regelung auch zahlen muss, lag nun dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Entscheidung vor.

Geklagt hatte ein auf dem Gebiet des Kraftwerkschallschutzes tätiger technischer Mitarbeiter, welcher für Inspektionen und Montagen auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland eingesetzt wurde. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Rahmentarifvertrag für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes (RTV-Bau) Anwendung, welcher für die An- und Abreise zu bzw. von Baustellen einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts für die erforderliche Reisezeit vorsieht. Von August bis Oktober 2015 war der Kläger auf eine Baustelle nach Bengbu, China entsandt. Die Arbeitgeberin gestattete dem Mitarbeiter den Flug in der Business Class, der wegen eines Zwischenstopps in Dubai jedoch doppelt so lang wie der Flug in der Economy Class dauerte. Für die Hin- und Rückreise benötigte der Kläger damit vier, statt der für den Direktflug notwendigen zwei Tage. Die Beklagte zahlte die Vergütung für die reguläre Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag, mithin insgesamt für 32 Stunden. Die Parteien stritten nun um die Vergütung der über die reguläre Arbeitszeit hinausgehenden Reisezeiten.

Auch wenn bislang lediglich die – nicht sonderlich aussagekräftige – Pressemitteilung veröffentlicht wurde, lässt sich als Aussage des obersten deutschen Arbeitsgerichts festhalten, dass bei vorübergehenden Entsendungen Reisen ins Ausland und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers liegen und die Reisezeiten daher in der Regel wie Arbeit zu vergüten sind. Dabei seien jedoch ausschließlich die für den Flug in der Economy Class angefallenen Stunden relevant. Bei vorsichtiger erster Einschätzung geht das BAG richtigerweise davon aus, dass in Fällen, in denen der Arbeitgeber ausnahmsweise eine längere als die notwendige Reise gestattet, nur die kürzere Reisezeit vergütungsrechtlich von Relevanz ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich allerdings noch nicht beurteilen, auf welche Rechtsgrundlage das BAG den Vergütungsanspruch gestützt hat. Hierfür bleibt die finale Urteilsbegründung abzuwarten.

Die Thematik Vergütung von Reisezeiten ist dabei grundsätzlich von der Frage zu unterscheiden, ob es sich bei Reisezeit um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) handelt. Soweit es der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überlässt, ob dieser die Reisezeit arbeitend verbringt (beispielsweise im Flugzeug eine Akte bearbeitet) oder sich entspannt, stellt Reisezeit keine Arbeitszeit i. S. d. ArbZG dar. Hierzu äußert sich das BAG (in der Pressemitteilung) nicht.

Fehlt es bzgl. der Vergütung für Reisezeiten an einer konkreten Regelung, ist zwischen der Vergütung von Reisezeiten während und außerhalb der regulären Arbeitszeit zu unterscheiden. Reisezeiten während der regulären Arbeitszeit sind grundsätzlich zu vergüten. Bei längeren, die reguläre Arbeitszeit überschreitenden, Reisen, ist bei Fehlen einer spezielleren Regelung auf § 612 Abs. 1 BGB zurückzugreifen. Danach „gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“. Die Meinungen was „zu erwarten ist“, gehen naturgemäß stark auseinander, wobei insbesondere relevant ist, ob der Arbeitnehmer ein überdurchschnittlich hohes Gehalt bezieht, sodass anzunehmen ist, dass das Gehalt Reisezeiten mit abdecken soll. Auch kann die Vergütung von Reisezeiten pauschalisierend, beispielsweise durch Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto, geregelt werden.

In der Vergangenheit hat das Bundesarbeitsgericht zur Frage der Vergütung mehrfach betont, dass es keinen Rechtssatz gebe, nach dem Reisezeiten stets oder regelmäßig zu vergüten seien. Eine Vergütungserwartung sei stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung des Einzelfalls zu beurteilen. Hiernach komme auch eine anteilige Vergütung von Reisezeiten in Betracht. Vor diesem Hintergrund wird erst nach der Veröffentlichung der Begründung des aktuellen Urteils eingeordnet werden können, ob das BAG den, dem Grunde nach zugesprochenen, Vergütungsanspruch auf die Regelungen des RTV-Bau oder auf die allgemeine Regelung des § 612 Abs. 1 BGB gestützt hat. Für Ersteres könnte sprechen, dass das BAG die Sache zur Aufklärung der „Erforderlichkeit“ der Reisezeit (RTV-Bau sieht Fortzahlung des Gehalts für die erforderliche Reisezeit vor) an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen hat.

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