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06.07.2021 // Recht + Betriebspraxis

Änderungen im Kaufrecht ab Januar 2022

Bundestag und Bundesrat haben einen Entwurf des „Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ abschließend beraten und beschlossen. Das Gesetz wurde bereits ausgefertigt und im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Mit dem neuen Gesetz wird es zu verschiedenen Änderungen im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs kommen. Betroffen sind aber auch reine B2B-Kaufverträge. Die neuen Bestimmungen werden bereits für Kaufverträge gelten, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden.

Den Unternehmen der deutschen Textil- und Modeindustrie wird daher empfohlen, sich möglichst zeitnah auf die neue Rechtslage vorzubereiten, insbesondere bestehende AGB und sonstige vertragsrechtlich relevante Erklärungen sowie Richtlinien für ihr Reklamations- bzw. Qualitätsmanagement zu prüfen und ggf. anzupassen.

Auf die untenstehenden Neuerungen möchten wir Sie besonders aufmerksam machen.

Neuer Sachmangel-Begriff, § 434 BGB-neu (betrifft auch B2B-Kaufverträge!)

Nach aktueller Rechtslage reicht es für die Mangelfreiheit einer Kaufsache aus, wenn diese die zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Nur soweit es an einer entsprechenden Vereinbarung über die Soll-Beschaffenheit fehlt, werden andere Anforderungen herangezogen, wie insbesondere „objektive“ Aspekte wie die Eignung der Kaufsache für die gewöhnliche Verwendung und das Aufweisen einer Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und der Käufer daher entsprechend erwarten darf.

An dieser abgestuften Feststellung des Vorliegens eines Sachmangels wird künftig so nicht mehr festgehalten. Auch wurden die objektiven Anforderungen nicht unerheblich ausgeweitet. Für ab 1. Januar 2022 geschlossene Kaufverträge gilt nunmehr, dass die Ware nur dann frei von Sachmängeln ist, wenn sie bei Gefahrenübergang (kumulativ) den „subjektiven Anforderungen“, den „objektiven Anforderungen“ und – soweit eine Montage durchzuführen ist – den Montageanforderungen entspricht (§ 434 BGB-neu).

Zu den „subjektiven Anforderungen“ zählen insbesondere die vereinbarte Beschaffenheit, die Eignung für die nach Vertrag vorausgesetzte Verwendung und das vereinbarte Zubehör.

Zu den „objektiven Anforderungen“ zählen vor allem

  • die Eignung für die gewöhnliche Verwendung,
  • die übliche Beschaffenheit unter Berücksichtigung der Art der Sache und der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden (zur Beschaffenheit zählen neben Menge auch Qualität und „sonstige Merkmale der Sache“, einschließlich Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit) sowie
  • das Vorliegen bzw. Übergeben des Zubehörs (einschließlich Verpackung und Anleitungen), dessen Erhalt der Käufer erwarten darf.

Von diesen Anforderungen kann vertraglich abgewichen werden. Gegenüber Verbrauchern kann dies aber nur nach Maßgabe der strengen Voraussetzungen des § 476 BGB-neu vereinbart werden. Will also der gewerbliche Verkäufer künftig von den objektiven Anforderungen des § 434 Abs. 3 BGB abweichen, beispielsweise weil es sich um eine „B-Ware“ handelt, so muss er den Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis setzen, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht und diese Abweichung mit ihm ausdrücklich undgesondertvereinbaren. Andernfalls kann sich der Verkäufer nicht auf diese Vereinbarung berufen.

Zwar gilt die europäische Warenkauf-Richtlinie nur für Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern (Verbrauchsgüterkaufverträge), jedoch hat der deutsche Gesetzgeber beschlossen, die Neudefinition des Sachmangels aus Gründen der Einheitlichkeit für sämtliche Kaufverträge gelten zu lassen, also auch zwischen Unternehmern (B2B). Für B2B-Kaufverträge gelten allerdings nicht die strengen Bestimmungen des § 476 BGB-neu. In der Gesetzesbegründung (S. 21 ff.) hierzu heißt wie folgt:

„Außerhalb des Anwendungsbereichs der Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf sind die Parteien grundsätzlich frei, von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen zu treffen. (…)

Von den Regeln über die objektiven Anforderungen an die Kaufsache in § 434 Absatz 3 BGB-E können die Parteien durch Vereinbarung abweichen. Vereinbaren die Parteien, dass auch eine Kaufsache vertragsgemäß sein soll, die eine schlechtere als die übliche Beschaffenheit hat (sogenannte negative Beschaffenheitsvereinbarung), so bedarf diese Vereinbarung bei einem Verbrauchsgüterkaufvertrag der besonderen Form des § 476 Absatz 1 BGB-E. Zwischen Unternehmern ist eine solche Vereinbarung formfrei möglich.“

Dessen ungeachtet müssen die Unternehmen jetzt aktiv werden und Lieferbedingungen insbesondere im B2B-Bereich entsprechend prüfen und ggf. anpassen.

Verlängerung der Beweislastumkehr auf ein Jahr (§ 477 BGB-neu)

Tritt innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein Mangel auf, so wird im Falle eines Verbrauchsgüterkaufvertrags gesetzlich vermutet, dass dieser Fehler bereits bei Gefahrenübergang vorlag, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des Mangels unvereinbar. Dem Verkäufer bleibt insoweit nur die Möglichkeit nachzuweisen, dass die Ware bei Gefahrenübergang mangelfrei war. § 477 BGB postuliert somit eine Umkehr der üblicherweise geltenden prozessualen Beweislastverteilung. Dieser Zeitraum beträgt aktuell sechs Monate und wird nun auf ein Jahr angehoben (§ 477 Abs. 1 BGB-neu). Für B2B-Verträge gilt die Beweislastumkehr weiterhin nicht.

Sonderbestimmungen für die Rückabwicklung nach Rücktritt vom Kaufvertrag (§ 475 Abs. 5 und 6 BGB-neu)

In Umsetzung der europäischen Warenkauf-Richtlinie wird in § 475 Abs. 5 BGB-neu klargestellt, dass der Verkäufer die Nachfüllung wegen eines Mangels innerhalb einer angemessenen Frist (ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat) sowie ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen hat.

Ferner wird in § 475 Abs. 6 BGB neu geregelt, dass stets der Verkäufer die Kosten der Rückgabe der Ware nach einem Rücktritt oder Schadenersatz statt der ganzen Leistung wegen eines Mangels trägt und er dem Verbraucher den Kaufpreis künftig bereits dann zu erstatten hat, sobald er einen Nachweis über die Rücksendung erhält (z. B. Rücksendebeleg).

Auch diese Regelungen gelten nur für B2C-Kaufverträge.

Garantieerklärungen (§ 479 BGB-neu)

Die Sonderbestimmungen zu Garantieerklärungen nach § 479 BGB werden ausgeweitet. So muss künftig der Garantiegeber (z. B. Hersteller) seine Garantieerklärungen dem Verbraucher (stets) in Textform übergeben, also unabhängig von einem dahingehenden Verlangen des Verbrauchers (§ 479 Abs. 2 BGB-neu).

Ebenfalls in Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie neu hinzugekommen ist die klarstellende Regelung, wonach die Haltbarkeitsgarantie des Herstellers (sofern ggü. dem Verbraucher abgegeben) zumindest eine Nacherfüllung nach den Vorgaben des § 439 Absatz 2, 3, 5 und 6 Satz 2 und des § 475 Absatz 5 BGB-neu umfassen muss. Dem Garantiegeber steht es aber selbstredend frei, dem Verbraucher günstigere Bedingungen anzubieten.

Ablaufhemmung beim Lieferantenregress; Streichung der Höchstgrenze (§ 445b Abs. 2 BGB-neu)

§ 445b Abs. 2 BGB enthält eine sog. Ablaufhemmung, wonach der Ablauf der Verjährung von Regressansprüchen des Verkäufers gegen den Lieferanten gehemmt wird. Die Verjährung tritt frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt ein, zu dem der Verkäufer die Ansprüche des Käufers erfüllt hat. Zum Schutz des Lieferanten endet diese Ablaufhemmung bislang aber nach fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem der Lieferant die Sache dem Verkäufer abgeliefert hat. Das heißt, nach Ablauf dieser fünf Jahre muss der Lieferant nach aktueller Rechtslage keine Regressansprüche des Verkäufers mehr befürchten. Nunmehr wurde diese Höchstgrenze – trotz Kritik der Industrie – ersatzlos gestrichen.

 

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