OECD-Bericht zur Weiterbildung in Deutschland
Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat den im Auftrag der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) erstellten Bericht zur Weiterbildung in Deutschland vorgestellt.
Der Bericht untersucht, wie effektiv das deutsche Weiterbildungssystem Mitarbeiter und Unternehmer auf die Veränderungen in der Arbeitswelt vorbereitet und zeigt auf, welche Veränderungen aus Sicht der OECD notwendig sind, um das Weiterbildungssystem zukunftsfähiger zu machen.
Ergebnisse im Überblick:
- Deutschland hat ein starkes Bildungs- und Ausbildungssystem, insbesondere ein leistungsfähiges und anerkanntes Berufsbildungssystem. Allerdings liegt Deutschland laut Daten der OECD bei der Beteiligung an Lernangeboten, die über die Erstausbildung hinausgehen, deutlich hinter anderen, leistungsstarken OECD-Ländern (z. B. Norwegen). Die Weiterbildungsbeteiligung variiert zudem erheblich je nach Bevölkerungsgruppe.
- Deutschlands Weiterbildungslandschaft hat eine der komplexesten Governance-Strukturen im OECD-Raum. Diese ist geprägt von Dezentralisierung, Föderalismus, Pluralismus, Wettbewerb zwischen den Anbietern und Selbstverantwortung. Diese Struktur ist laut OECD einerseits eine große Stärke, da das Weiterbildungsangebot so auf die unterschiedlichen Anforderungen von Individuen, Organisationen und (regionalen) Arbeitsmärkten eingehen kann. Es ist andererseits aber auch eine Schwäche, da es Koordinations- und Kooperationsherausforderungen mit sich bringt.
- Deutschland hat wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der Zukunftsfähigkeit des Weiterbildungssystems identifiziert und in Angriff genommen. Da diese Reformen jedoch entlang „historischer Pfadabhängigkeiten“ und innerhalb des bestehenden institutionellen Kontextes entwickelt wurden, fehlt häufig ein übergreifender und systematischer Ansatz.
- Eine höhere Effektivität, Effizienz und Chancengerechtigkeit des deutschen Weiterbildungssystems können nach Ansicht der OECD nur durch die grundlegende Umstrukturierung zentraler Aspekte des Systems und einer deutlichen Komplexitätsreduktion erreicht werden.
Aus der Analyse leiten sich folgende Handlungsempfehlungen ab:
- Verbesserung der Governance-Strukturen in der Weiterbildung sowie Entwicklung eines deutschenWeiterbildungsgesetzes, das einen gemeinsamen Rechtsrahmen im gesamten Bundesgebiet sicherstellt;
- Ausgestaltung und Einführung von Mindestqualitätsstandards für Weiterbildungsanbieter, um die Transparenz in der komplexen deutschen Weiterbildungslandschaft zu erhöhen;
- Entwicklung eines bundesweitenRechtsrahmens für die Validierung von Kompetenzen;
- Etablierung von Teilqualifikationen als fester Strukturbestandteil;
- Einrichtung einer nationalen Initiative zur Weiterbildungsberatung, die das bestehende Angebot vernetzt und optimiert, regionale Angebotslücken schließt und Beratung unter einer einheitlichen Marke anbietet – auch online;
- Einführung einer bundesweiten Regelung für Bildungszeiten; Nutzung vorhandener Möglichkeiten, Bundesinvestitionen für Weiterbildung in die Länder zu lenken;
- Erhöhung der Gesamtinvestitionen in Weiterbildung und mittelfristige Prüfung zusätzlicher Finanzierungsmöglichkeiten;
- Verbesserung der finanziellen Anreize für Erwachsene mit geringen Grundkompetenzen durch eine mögliche Aufstockung des Arbeitslosengeldes und progressive finanzielle Anreize für Arbeitnehmer;
Der Bericht ist geprägt von einem Idealbild eines Weiterbildungssystems, das über finanzielle/zeitliche Anreizsysteme, Regulierungen und Standards maßgeblich vom Staat mitverantwortet wird. Von diesem Idealbild weicht die Weiterbildung in Deutschland, die überwiegend in der Verantwortung der Unternehmen und ihrer Beschäftigten liegt und sich durch einen freien Wettbewerb der Anbieter sowie eine Vielzahl von Akteuren und Angeboten auszeichnet, in vielen Punkten ab.
Die OECD stützt sich zudem auf Daten, die überwiegend aus dem Jahr 2016 oder sogar 2012 stammen und weist selbst darauf hin, dass insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung von Weiterbildung keine validen Daten und auch kein Benchmark existieren.
Im Rahmen der Vorstellung des Berichts hat Bundesminister Heil darauf hingewiesen, dass er die Empfehlungen möglichst umfassend umsetzen möchte. Er bezog sich dabei insbesondere auf die Einführung einer bundesweiten Regelung von Bildungszeiten, den Ausbau der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung sowie ein nationales Weiterbildungsgesetz, in dem Aufgaben und Ansprüche z. B. auf Validierung geregelt werden sollen. Im Rahmen der NWS wurden einige dieser Aspekte bereits aufgegriffen und diskutiert, sind jedoch bislang nicht konsensfähig. Dies wird auch im Umsetzungsbericht der NWS entsprechend aufgegriffen werden.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie die kompletten Handlungsempfehlungen finden Sie hier.