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20.09.2021 // Recht + Betriebspraxis

Arbeitszeugnis ist kein Schulzeugnis

Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers nicht dadurch, dass er Leistung und Verhalten in einer an ein Schulzeugnis angelehnten Tabellenform beurteilt (Bundesarbeitsgericht vom 27. April 2021 - 9 AZR 262/20).

Die Arbeitgeberin stellte in dem vorliegenden Fall ein Zeugnis aus, das von der Form her an ein Schulzeugnis erinnerte. Als Gesamtnote erhielt er ein "befriedigend". Dies entsprach auch seinen Einzelnoten für Bereiche wie "Pünktlichkeit", "Hygienevorgaben" und allgemeine "Fachkenntnisse". Immerhin erhielt er (sein einziges) "sehr gut" für sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten. Das Arbeitsgericht gab der Klage auf ein wie üblich formuliertes Zeugnis teilweise statt und formulierte ein Zeugnis im Fließtext. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hielt die tabellarische Form jedoch für zulässig.

Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Beurteilung des Angestellten in Form einer tabellarischen Darstellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach "Schulnoten" den Anforderungen eines qualifizierten Zeugnisses nach § 109 GewO genügt. Das qualifizierte Arbeitszeugnis sei ein individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier, das dessen persönliche Leistung und sein Verhalten im Arbeitsverhältnis dokumentieren solle. Diesen Anforderungen werde regelmäßig nur ein individuell abgefasster (Fließ-)Text gerecht.

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis kann daher nicht „kurz und knackig“ als Schulnoten formuliert werden, sondern muss die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung in den einzelnen Punkten als wohlwollend formulierte ganze Sätze wiedergeben.

Allerdings: Die übliche Schlussformel, die Bedauern, Dank und gute Wünsche zum Ausdruck bringt, ist gem. § 106 GewO nicht notwendiger Bestandteil eines Arbeitszeugnisses. Auch wenn deren Fehlen unweigerlich zum Ausdruck bringt, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden war, kann der Arbeitnehmer nicht verlangen, dass das Arbeitszeugnis eine Schlussformel enthält (vgl. zuletzt LAG München vom 15. Juli 2021 – 3 Sa 188/21).

Ansprechpartner*innen

Lydia Knapp, LL.M.

Referentin Recht + Betriebspraxis

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) – Fachanwältin für Arbeitsrecht

T +49 711 21050-15M +49 1520 9267590knapp@suedwesttextil.de

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