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23.09.2021 // Recht + Betriebspraxis

Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat ein Urteil hinsichtlich des Beweiswertes von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Erkrankung für den Zeitraum der Kündigungsfrist gefällt.

Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 08. September 2021 entschieden (Aktenzeichen: 5 AZR 149/21).

Nahezu jeder Arbeitgeber hat diese Situation schon einmal erlebt: Der Mitarbeiter kündigt oder wird gekündigt und daraufhin ist der Mitarbeiter genau bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkrankt. Auch wenn der Verdacht des „Krankfeierns“ in diesen Fällen auf der Hand liegt, hatten Arbeitgeber aufgrund des überaus hohen Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bisher kaum Möglichkeiten die Entgeltfortzahlung mit Erfolg zu verweigern. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr erkannt, dass solchen Fällen mehr als nur ein „Geschmäckle“ innewohnt und die Reaktionsmöglichkeiten für Arbeitgeber gestärkt.

Sachverhalt

Am 8. Februar 2019 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 22. Februar 2019 und legte der Beklagten eine auf den 8. Februar 2019 datierte, als Erstbescheinigung gekennzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert, weil diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung der Klägerin abdecke. Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und habe vor einem Burn-Out gestanden.

Entscheidung des BAG

Die Klägerin hat die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8. Februar zum 22. Februar 2019 und der am 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach Hinweis des Senats – nicht hinreichend konkret nachgekommen. Sie hätte daher ihre behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und diese als Zeugen für eine tatsächlich bestehende Arbeitsunfähigkeit benennen müssen.

Fazit

Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Entscheidung auch in der Ärzteschaft herumspricht und künftig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht mehr allzu leichtfertig ausgestellt werden, wie dies hin und wieder geschieht.

Ansprechpartner*innen

Lydia Knapp, LL.M.

Referentin Recht + Betriebspraxis

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) – Fachanwältin für Arbeitsrecht

T +49 711 21050-15M +49 1520 9267590knapp@suedwesttextil.de

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