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22.06.2021 // Recht + Betriebspraxis

Widerrechtliche Androhung einer außerordentlichen Kündigung

Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor die Wahl stellen: Aufhebungsvertrag oder fristlose Kündigung?

Darüber hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 31. März 2021 (Az.: 23 Sa 1381/20) zu entscheiden.

Der Kläger war mehr als 20 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Im Streit stand die Wirksamkeit eines angefochtenen Aufhebungsvertrages sowie außerordentliche Kündigungen. Aufgrund tarifvertraglicher Regelungen war der Kläger ordentlich unkündbar. In einem Schließfach der Beklagten wurde in einem Kinderüberraschungsei eine blaue Pille – vermutlich Betäubungsmittel - gefunden. Das Schließfach stand auch dem Kläger zur Verfügung. Auf der Videoüberwachung war unter anderem der Kläger beim Herausnehmen des Ü-Eies zu sehen. Anhörungen der Kollegen ergaben, dass der Kläger Kollegen gegen Geld mit Ecstasy versorgt. Der Kläger bestritt dies. Daraufhin wurde der Betriebsrat angehört und mit dem Kläger ein Personalgespräch bezüglich der geplanten Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt. Der Kläger wurde vor die Wahl gestellt, entweder eine außerordentliche Kündigung oder den vorgelegten Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.

Der Kläger entschied sich, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Allerdings wurde dieser durch Rechtsanwaltsschreiben wegen widerrechtlicher Drohung angefochten. Daraufhin kündigte die Beklagte zweimal hintereinander außerordentlich. Der Kläger erhob hiergegen Klage und verlangte Weiterbeschäftigung. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Dagegen wehrte sich die Beklagte mit der Berufung.

Allerdings hatte auch die Berufung keinen Erfolg. Das LAG ist der Ansicht, dass weder der Aufhebungsvertrag noch die außerordentlichen Kündigungen das Arbeitsverhältnis beendet haben. Der Aufhebungsvertrag ist durch die Anfechtung nichtig. Die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung war hier widerrechtlich. Dem Grunde nach lag zwar ein wichtiger Grund, der zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB berechtigt, vor. Allerdings war zum Zeitpunkt des Personalgesprächs die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB bereits abgelaufen. Die Aufklärung des Sachverhalts war mit der Anhörung des Klägers und der Kollegen abgeschlossen. Dadurch lief die 2-Wochen-Frist. Das LAG sah den weiteren Einwand der Beklagten, dass wegen des Covid-19-Shutdowns die Mitarbeiter der Personalabteilung wie auch der Betriebsrat nur erheblich eingeschränkt haben handeln können, nicht als erheblich an. Daraus folge keine Hemmung der 2-Wochen-Frist. Daher konnte die Beklagte nicht damit rechnen, dass eine anschließend ausgesprochene Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Aufgrund dessen durfte die Beklagte die Kündigung nicht in Aussicht stellen, um den Kläger zum Abschluss des Aufhebungsvertrages zu veranlassen.

Diese Entscheidung zeigt nochmal, wie wichtig die Beachtung der 2-Wochen-Frist bei einer außerordentlichen Kündigung ist. Soll eine „einvernehmliche“ Trennung erfolgen, sollte dennoch die Kündigung weiter vorbereitet und ggf. parallel ausgesprochen werden, um der hier aufgezeigten Problematik zu entgehen. Wichtig ist auch, dass sich die Linie der Gerichte fortsetzt, dass Erschwernisse der Corona-Pandemie nicht zu Lasten der Arbeitnehmer oder als höhere Gewalt angesehen werden können.

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