„Way to Zero“: Der erste textile Verbotsreigen des EU-Green-Deal steht vor der Tür
Das seit zwei Jahren laufende REACH-Restriktionsverfahren für hautsensibilisierende Stoffe der EU biegt auf die Zielgerade ein.
Bunte Outdoorjacken und Rucksäcke verboten, farbig gewebte Sofakissen, Vorhänge und Bettdecken wegreguliert. Knitterfreie Hemden soll es nicht mehr geben, farblich abgestimmtes Automobilinterieur aus Textil und Leder sollen weichen. Technische Textilien wie Sicherheitsgurte in Fahrzeugen und weitere Ausstattungen aus Textil oder Leder, sprich alles was körpernah berührt werden kann, ist allenfalls noch in der „Nichtfarbe“ Weiß in der EU verkehrsfähig – nicht optisch aufgehellt versteht sich.
Der erste fundamentale Verbotsreigen im neuen Gewand des Green-Deal bzw. des „Non-Toxic-Environments“ steht vor der Haustüre und bittet um Einlass. Das seit zwei Jahren laufende REACH-Restriktionsverfahren für hautsensibilisierende Stoffe biegt auf die Zielgerade ein. Trotz Einsatz und Aufbietung aller Fachressourcen vieler betroffener Branchen lassen sich die ECHA und die verantwortlichen Umweltbehörden in Zeiten des Green Deal immer weniger von wissenschaftlichen Argumenten überzeugen.
Am 8. Juni 2021 versucht ein Konsortium von Verbänden und Organisationen unter der Beteiligung des europäischen Textilverbandes Euratex einen letzten großen fachlichen Anlauf, bevor die Bürokratie und das Parlament in Brüssel die Dinge besiegeln.
Bereits im Jahr 2019 stellten wir klar, welche Auswirkungen die Umsetzung dieses Restriktionsverfahrens nicht nur für Textiler, sondern auch viele andere Branchen hätte (siehe hier). Diese Vorhersagen drohen nun traurige und Existenz- und Arbeitsplatz-gefährdende Realität zu werden.
Grund hierfür ist vor allem der in dieser neuen Art installierte CLP (Classification-Labeling-Packaging)-Automatismus, der weiter automatisch zu massiven REACH-Verboten u. a. bei sehr vielen Textilfarbstoffen führt. Die CLP-Verordnung interagiert mit REACH, der Biozidverordnung (BPR) und vielen anderen Gesetzgebungen und ist daher ein äußerst scharfes Verbotsschwert.
Im vorliegenden Fall soll in Zukunft ohne wissenschaftliche Untersuchung, ob denn ein Zusammenhang zwischen einer CLP-Gefahren-Einstufung und dem tatsächlichen hautsensibilisierenden Risiko auf einem Textil- oder Ledererzeugnis besteht, das Verbot automatisch greifen. Die EU-Gesetzgebung wird so bewusst von den verantwortlichen Behörden ausgehebelt. Das ist eine äußerst bedenkliche Einstellung von europaweit vernetzt operierenden nationalen Umweltbehörden und NGOs und hat mit parlamentarischen Prozessen nichts mehr zu tun.
Dagegen wurde schon vor eineinhalb Jahren ein „Smart Dynamik Link“ im textilen Süden Deutschlands entwickelt, der eine Rückführung in ein rechtstaatliches, wissenschaftsbasiertes Verfahren unter REACH bzw. im EU-Chemikalienrecht herbeiführen soll. Wer die ultimative Macht des EU-Chemikalienrechts und seine Mechanismen kennt bzw. vor allem die fundmentale Ausrichtung der schwedischen KEMI (Kemikalieinspektionen) und französischen ANSES (Agence nationale de sécurité sanitaire de l’alimentation, de l’environnement et du travail) in früheren Regulierungen kennenlernen durfte, der ist geradezu verpflichtet, dagegen einen regulatorischen Impfstoff für den Erhalt der Rechtstaatlichkeit im EU-Chemikalienrecht zu entwickeln. Der „Smart Dynamic Link“ sieht im Kern vor, dass alle zukünftig als hautsensibilisierend eingestuften Stoffe – H317, vorher einer Risikobetrachtung eines wissenschaftlichen Gremiums unterzogen werden.
Diese Idee, die gemeinsam mit den Umwelt-Kollegen des Gesamtverbandes textil+mode weiter ausgefeilt und von vielen weiteren Mitstreitern in der EU übernommen wurde, findet sich in der Überschrift als „Smart link between CLP and REACH “ in der Veranstaltung der ETAD –The Ecological and Toxicological Association of Dyes and Organic Pigments Manufacturers und des TEGEWA – Verband der Hersteller von Prozess- und Performance-Chemikalien am 8. Juni 2021 wieder, bei der jeder Textiler, Bürger sowie verantwortliche Politiker teilnehmen kann (siehe hier).
Es geht um sehr viel mehr als „nur“ um ein REACH-Skin-Sensitizer-Verfahren. Das Verfahren ist ein Präzedenzfall für den Green Deal und sein Non-Toxic-Environment-Versprechen bzw. der darin enthaltenen „Zero Pollution-Strategy“. Dies widerspricht allem, was die EU beim Green Deal mit ihrer „Zero Zielsetzung“ der Bevölkerung verspricht und nicht nur, da viele Naturstoffe zum Teil unglaublich toxisch sind – so auch dem Satz von Paracelcus: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“
Das blinde Verbieten von tausenden, dringend für Erzeugnisse benötigter Stoffe soll unter dem Green Deal Regime die Regel werden, ohne dass die Folgen betrachtet werden. Damit werden künftig zehntausende Erzeugnisse in der EU verboten. Alles ist eben Chemie und wird durch das Chemikalienrecht gesteuert.
Die totale Steuerung durch die Umweltbehörden bzw. den von ihnen vorgeschlagenen Gesetzesänderungen soll nun u. a. durch CLP-getriggerte Massenregulierungsautomatismen bzw. Massenstoffverbote unter REACH generell zur Regel werden, um wesentlich schneller und breiter verbieten können. Dazu laufen gerade die Gesetzgebungsverfahren in der EU und es ist nicht verwunderlich, dass dazu sowohl die CLP-Regulierung als auch REACH nach dem Willen der EU-Umweltbehörden per Revision angepasst werden. Alles wird seitens der verantwortlichen Umwelt-Behörden bzw. über die EU-Kommission mit schön verpacken Zielen und Begründungen dargestellt, doch Stoffrechts- und Chemieexperten erkennen das autokratische Diktat, das all dem inne wohnt. So können die Umweltbehörden über das EU-Chemikalien- und Stoffrecht an jedem demokratisch legitimierten Parlament in der EU einfach vorbeiregieren und nach Belieben steuern.
Hier finden Sie die entsprechenden Hintergrundpapiere und die öffentliche Konsultation der EU, bei der sich jeder Bürger beteiligen kann:
- Fahrplan für Verordnungsvorschlag zur Überarbeitung der EU-Vorschriften zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien
Gelegenheit zur Stellungnahme bis 01. Juni 2021
Hier gelangen Sie direkt zur Initiative
- Fahrplan für Verordnungsvorschlag zur Überarbeitung der REACH-Verordnung als Beitrag zur Schaffung einer schadstofffreien Umwelt
Gelegenheit zur Stellungnahme bis 01. Juni 2021
Hier gelangen Sie direkt zur Initiative
Der „Way to Zero“ der EU soll so vollends besiegelt werden und es soll abermals ein scheindemokratisch legitimiertes Diktat über die EU-Gesetzgebung werden, das aufgrund der komplizierten Zusammenhänge sehr wenige MEP (Member of Parliament) verstanden haben dürften, denen letztes Jahr im EU-Parlament der Green Deal zur Abstimmung vorgelegt wurde.
Dem Green Deal wird in einem seiner zentralen Ziele „CO2-Klimaneutralität“ in Zusammenhang mit der ebenfalls zentral im Green Deal verankerten „New Chemical Strategy“ alsbald selbst die Luft ausgehen. Sämtliche alternativen Energieerzeugungstechnologien dürften sogleich dem Chemikalienrecht zum Opfer fallen. Ohne Chemikalien und moderne Werkstoffe kann man schlichtweg nichts mehr produzieren. Die gesamte EU-Wasserstofftechnologie wird dann durch PFAS-Verbote wegreguliert, Windkraftanlagen durch Bisphenol A-Grenzwerte verboten, Steuerungselektronik, Solarzellenfertigung durch Schwermetallverbote in der EU unmöglich gemacht, Biogasanlagen wegen EU-Formaldehydgrenzwerten usw. – „Green Deal Mission impossible“!
Der textile Verbotsreigen durch das REACH-Skin-Sensitizer-Restriktions-Verfahren soll also für uns alle nur der Anfang sein.